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Veränderungen im Stadtkloster - Kirche der Stille

Foto: Maike Ewert

Nach sieben Jahren als Pastorin und Leitung des Stadtklosters - Kirche der Stille verabschiedet sich im Sommer Maike Ewert in den Ruhestand. Pastorin Ewert hat an der Eröffnung des Stadtklosters im Kirchenzentrum Kronsberg 2014 mitgewirkt und wird seitdem mit der Projektpfarrstelle in der Kirchengemeinde St. Johannis Bemerode als Pastorin der Landeskirche eingesetzt.

Wir haben ihr drei Fragen gestellt:

Sie haben damals die "Kirche der Stille" aufgebaut, haben Sie damit etwas gewagt?

2013 erhielt ich den Auftrag, im Kirchenzentrum auf dem Kronsberg eine Kirche der Stille aufzubauen. Das Gebäude ist ja einem mittelalterlichen Zisterzienserkloster nachempfunden und mit der Idee, dort ein evangelischen Stadtklosters anzusiedeln, errichtet worden.
Mein Konzept einer „Kirche der Stille“  passte gut zu dieser Ursprungsidee und nimmt sie auf. Deshalb  tragen wir auch den Doppelnamen „Stadtkloster-Kirche der Stille“.
Niemand konnte abschätzen, ob eine Kirche der Stille erfolgreich sein würde.
War es der richtige Ort? Das passende Konzept?  Trafen die Angebote die Bedürfnisse der Menschen ? Würden sie soweit aus der Stadt hinaus an den Stadtrand fahren? Und wie kann das gehen, einen Ort der Stille zu bewahren, wenn auch die Kirchengemeinde und die freikirchliche Gemeinde die Räume nutzen?
Ich bin froh, dass wir es gewagt haben und ich bin sehr dankbar für das in mich gesetzte Vertrauen. Der Mut hat sich gelohnt: Inzwischen hat sich die Kirche der Stille zu einem christlich-kontemplativen Zentrum in Hannover und darüber hinaus entwickelt.

Welche besonderen Momente haben Sie im Stadtkloster-Kirche der Stille geprägt?

Wir bieten unterschiedliche Formate an, weil der Zugang zur Stille, zu den tieferen Schichten unseres Seins und unseres Glaubens für jeden Menschen ein anderer sein kann. Natürlich gibt es da auch viele besondere Momente.
Das Symposion zum Beispiel, in dem wir Texte des christlichen Mystikers Meister Eckhart mit Gedichten des persischen Mystikers Rumi verglichen, beide lebten um 1300. Dazu hatten wir einen evangelischen Theologieprofessor aus Gießen und einen Sufimeister aus Paris eingeladen.
Aber auch zu erleben, welche intensive Stille sich in unseren meditativen Gottesdiensten ausbreitet, wenn wir in der voll besetzten Kirche 10 Minuten lang alles ruhen lassen und miteinander schweigen.
Besonders nah sind mir unsere Jahresgruppen zum Herzensgebet. Das Herzensgebet ist ein alter christlicher Meditationsweg. Diese Langzeitgruppen biete ich zusammen mit einem Kollegen seit mehreren Jahren an.
Inzwischen nehmen jedes Jahr 35 bis 40 Menschen teil, da platzen wir im Kirchraum aus allen Nähten. Viele sind 'WiederholungstäterInnen'. Die Tage verbringen wir überwiegend im Schweigen, auch die Mahlzeiten und Pausen. Zu sehen, dass das mit so vielen Menschen möglich ist und zu erleben, wie über die Zeit eine innige Gemeinschaft entsteht, wie innere Verwundungen in dieser Atmosphäre langsam heilen können, wie dadurch Gelassenheit zunimmt und sich eine große Erfurcht allem Leben gegenüber entfaltet, das ruft immer wieder eine tiefe Dankbarkeit in mir hervor, für diesen Ort, für die Arbeit, die ich hier machen durfte.
Gerade sind wir dabei, all diese Angebote den Covid 19 Bedingungen anzupassen und dabei entstehen viele neue, kreative Ideen.

Gibt es Mut-Machendes, das Sie uns mitgeben möchten?

Durch die Kontaktbeschränkungen waren wir sehr auf uns selbst angewiesen. Besonders die Alleinlebenden haben das deutlich gespürt. Viele Menschen, mit denen ich in dieser Zeit sprach, erlebten, dass tief sitzende Ängste plötzlich auftauchten, alte Traumata lebendig wurden, Gefühle der Einsamkeit und der Lebensbedrohung erstarkten.
In der meditativen Übung trainieren wir, mit solchen inneren Dämonen, wie die Wüstenmütter und -väter diese Erfahrungen nannten, umzugehen. Ich übe, anzuschauen, was sich in mir zeigt. Ich trainiere, die Gedanken und Gefühle nicht zu verdrängen, mich aber von ihnen auch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich nehme wahr und lasse los, indem ich meine Aufmerksamkeit auf den Atem zurücklenke oder auf das Gebetswort, das ich im Rhythmus des Atems bewege. Immer und immer wieder. Mit anderen Worten: Ich übe, mich von den Ängsten nicht in Besitz nehmen zu lassen, sondern berge mich stattdessen mit jedem Atemzug neu in der göttlichen Gegenwart. Und dabei kann ich erleben: Ich bin geborgen, ich bin getragen, ich bin verbunden, mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen, mit Gott, egal, welche Herausforderungen das Leben gerade für mich bereithält.
In den Gesprächen gab es immer wieder diese Rückmeldung „Die Übung der Meditation kommt mir vor wie eine Vorbereitung auf diese Zeit“, „ich bin so dankbar für das, was ich in der Meditation gelernt habe: Wenn Ängste mich zu überwältigen drohen, halte ich mich an meinem Herzensgebet fest“, „Ich fühle mich allein und vermisse die Kontakte, aber ich bin nicht einsam, sondern fühle mich viel intensiver als sonst mit den anderen Menschen verbunden, die zur gleichen Zeit am Montagabend zuhause meditieren“.
Die Übung der Stille ist eine lebenslange Übung und eine Übung für das Leben.

Zum Herbst trete ich in den Ruhestand, dann wird eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger zusammen mit den Referent*innen und ehrenamtlich Mitarbeitenden solche kontemplativen Angebote in der Kirche der Stille weiterführen. Darüber freue ich mich und lade Sie herzlich ein, schauen Sie auch weiterhin in unser Programm  und kommen Sie vorbei!  

Der Gottesdienst zur Verabschiedung von Maike Ewert wird unter https://www.kirche-der-stille-hannover.de/ bekanntgegeben.

Nina Chemaitis / Referat für Öffentlichkeitsarbeit im Stadtkirchenverband