Foto: Markus Lampe

Reparieren statt wegwerfen

Nachricht Martin-Luther-Kirche, Ahlem, 16. August 2018

Die Martin-Luther-Kirche Ahlem bietet ein Repair Café an

Norbert Borgwaldt sucht nach dem Fehler in der kaputten LED-Lupenlampe von Eva-Maria Heppner. Foto: Sabine Dörfel

Plötzlich ließ sich die Lampe nicht mehr einschalten und Eva-Maria Heppner musste improvisieren, wenn sie bei ihren Kundinnen eingewachsene Fußnägel behandelte oder eine Gesichtsreinigung auf dem Plan stand. Heppner ist Kosmetikerin und braucht ihre stark vergrößernde LED-Lupenlampe für ihre Arbeit. Nun war guter Rat teuer, denn Elektroreparaturen werden von kleinen Fachgeschäften kaum mehr durchgeführt. Heppner hätte die Lampe an die Herstellerfirma einschicken und lange auf eine vermutlich teure Reparatur warten  müssen. Zum Glück bekam sie von einer Kundin den Tipp, es mal im Repair Café der Martin-Luther-Kirche in Ahlem zu versuchen. Und nun sitzt Heppner gespannt neben Norbert Borgwaldt (65), der behutsam die kleinen Schrauben des Lampenschalters löst. Nach einer knappen halben Stunde ist das Problem behoben, es war ein Defekt in der Stromzufuhr. Heppner strahlt und packt dankbar ihre Lampe wieder ein, nicht ohne eine Spende in der kleinen Sammelbüchse auf dem Tisch zu hinterlassen.  Seit rund eineinhalb Jahren sitzt der gelernte Elektro-Diplomingenieur Borgwaldt jeden letzten Donnerstagnachmittag im Monat in den Kirchenräumen der Gemeinde und bietet sein Können Hilfesuchenden an, die mit kleinen oder auch größeren Reparaturwünschen in die Wunstorfer Landstraße 50a kommen. „Wir kriegen hier kaputte Wasserkocher, Küchenwaagen, CD-Player, Spielgeräte oder Lampen gebracht“, erzählt Borgwaldt, „aber wir hatten auch schon mal einen Spiel-Hund, dessen wackelnder Kopf klemmte oder eine alte Elektroeisenbahn, die nicht mehr fahren wollte.“ In 70 Prozent aller Fälle könnten sie helfen, ergänzt Borgwaldts Kollege Jürgen Beltermann (63), der gerade die Mikromusikanlage von Matthias Höhne zwischen den Fingern hat. Sie ließ sich nicht mehr einschalten, die Kaufgarantie war aber gerade abgelaufen. Auch Höhne kann nach kurzer Zeit zufrieden sein Gerät einpacken, Beltermann hatte den Fehler schnell gefunden. „Wir verstehen uns hier nicht nur als Reparaturbetrieb, sondern wollen unseren Kunden Mut machen, selbst Hand anzulegen, im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt der Elektroniker. Das Reparaturteam wird noch von Gisela Höhne ergänzt, die Hilfe bei allen Problemen rund um das Thema Stricken und Reparatur von Wollsachen anbietet. Während die beiden Männer schrauben, strickt sie an einer Jacke. „Kunden, die Tipps zum Stricken haben wollen, kommen wohl eher erst im Herbst“, lächelt sie. Beltermann betont, dass auch die persönliche Atmosphäre im Repair Café wichtig sei, die Gelegenheit, sich zu unterhalten und neue Menschen kennenzulernen.

Jürgen Beltermann (li.) erklärt Matthias Höhne die Funktionsweise eines kleinen Elektroteils. Foto: Sabine Dörfel

Wie geschaffen dafür ist das offene Café, das die Martin-Luther-Gemeinde im Raum nebenan jeden Donnerstagnachmittag anbietet. „Als von rund drei Jahren ein Ahlemer Bürger auf uns zukam und uns die Idee eines Repair Cafés unterbreitete, haben wir die Chance erkannt, beide Angebote zusammenzulegen“, berichtet Pastor Stefan Krause.  „In das seit sieben Jahren bestehende offene Café kommen viele ältere Bürger, aber auch junge Familien mit Kindern.“ Besonders die älteren Menschen seien an Reparaturen von Geräten interessiert, sie seien es noch gewohnt, dass Dinge repariert statt weggeworfen und neu gekauft würden. Und für sie sei es häufig auch beschwerlich, in die Stadt zu fahren oder sich mit den Komplikationen einer Reklamation zu befassen. Sozialräumlich orientierte Gemeindearbeit nennt Krause die beiden Café-Angebote. „Wir schauen, was die Menschen hier im Stadtteil brauchen und was sie anspricht und das bieten wir an“, beschreibt er das Konzept. Und es scheint aufzugehen: Während nebenan Kaffee und Kuchen über die Theke gehen, haben Beltermann und Borgwaldt gut zu tun. Manchmal haben sie bis zu acht Besucher während der Öffnungszeit zwischen 15 und 17 Uhr. Anderen etwas vom eigenen Können weiterzugeben und helfen zu können, das macht die beiden Männer sehr zufrieden. „Manchmal bekomme ich eine E-Mail mit der Botschaft `Alles funktioniert wieder, tausend Dank‘“, berichtet Beltermann. Am Ende der Café-Zeit packen beide ihr Werkzeug ein, das sie aus ihren eigenen  Beständen von zu Hause mitbringen und für das Beltermann einen großen roten Einkaufstrolley braucht. Spätestens in vier Wochen heißt es dann wieder „Na, wo klemmt‘s denn?“.

Sabine Dörfel