Ohne Lust geduldig sein

Corona
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Ich gebe zu, dass ich keine Lust mehr habe. Keine Lust auf Masken und Abstand, keine Lust auf immer neue Meldungen mit Zahlen von Neu-Infizierten. Mir fehlen Gottesdienste mit Gesang und das spontane Bummeln im Geschäft ohne alle Abstandsregeln. Ich möchte gerne Menschen die Hand geben und in Räumen mit mehreren Menschen beieinandersitzen können. Manchmal träume ich davon, dass es einen Impfstoff gibt, der in kurzer Zeit wieder den alten Zustand herbeiführt.

Ich weiß – das wird so nicht passieren. Mehr als jemals zuvor ist Geduld nötig. Länger als erhofft. Nie hätte ich gedacht, dass ein Virus das Leben auf der ganzen Welt so verändern kann. Ändert sich damit auch die Hoffnung?

Ich merke schon, dass mein Glaube in dieser Zeit angefochten ist. Viel stärker als sonst, sind Menschen auf sich allein angewiesen. Formen der Gemeinschaft stehen unter dem Verdacht, „Hotspots“ zu werden. An so vielen Stellen ist Vorsicht geboten. Diese Haltung der Vorsicht widerspricht häufig dem, was wir als christliche Gemeinschaft gewohnt sind und was uns gut tut. Unsere Kirche wandelt sich, weil sie sich an diese neue Realität anpassen muss. Um der Menschen willen und um des Lebens willen.

Mir tun Worte gut, die meine Fähigkeit zur Geduld stärken. Im Hebräerbrief lese ich: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat.“ (Kapitel 10, Vers 23). In allem Wandel bleibt Christus treu. Uns gegenüber und auch seiner Verheißung gegenüber. Die Hoffnung des Glaubens speist sich nicht aus menschlichen Fähigkeiten. Sie traut Gott zu, dass er eine Zukunft für diese Welt und uns Menschen hat. Eine Zukunft, die über alles hinaus geht, was im Moment vorstellbar ist.

Da will ich es mit einem Psalmvers versuchen, wenn ich diesen Tagen mal wieder voller Zweifel bin: „Habe deine Lust am Herrn; der wird dir geben, was dein Herz wünscht!“ (Psalm 37,4)

Karl Ludwig Schmidt
Superintendent im Amtsbereich Nord-West