Erntedankfest 2019

Erntedankfest
Foto: Jens Schulze

Brot und Wein, Wasser und Saft, Obst und Früchte: Zum Erntedankfest legen Menschen an den Altar, was zum Leben gehört - sicher auch selbstverständlich gehört, aber damit noch lange nicht selbstverständlich ist. Was wir Tag für Tag in einer Weise zu uns nehmen, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, ist letztlich so selbstverständlich nicht. Daher legen Christen zum Erntedankfest an den Altar, was ihnen Gott zuvor längst gegeben hat. Und in der Geste des Dankes klingt an, dass auch wir für den Erhalt des Lebensnotwendigen sorgen müssen.

Dabei ist die Geste des Dankes wohl schon länger nicht mehr selbstverständlich. Meinen wir heute nicht vielmehr, dass wir ein Anrecht darauf haben, genug zu essen und zu trinken zu haben, genug zum Leben, gesund an Leib und Seele zu sein? Und ist es nicht gerade so, dass das Empfinden, ein Anrecht auf eine reiche Ernte oder ein gesundes Leben zu haben, den Dank in unserer Zeit ersetzt?

Dann ist der Blick nicht mehr auf den Menschen neben mir gerichtet, dem etwas fehlt und dem ich etwas abgeben könnte, sondern auf mich selber gelenkt: was steht mir zu? Worauf habe  gerade ich ein Anrecht, von dem ich ableite, dass es mir durch Kapital und Technik auch ermöglicht wird?

Dafür dann zu danken, wäre nicht mehr nötig. Ich habe es mir gekauft, ich habe es mir erarbeitet. So ist der Schöpfer der Gabe verschwunden. Weil die Gabe nicht mehr existiert. Weil ich sie mir nehmen kann und nicht mehr empfange.

Eindringlich fragt uns der Erntedanktag deshalb danach, wovon wir leben und wovon unsere Kinder und Kindeskinder auch noch werden leben können. Jenseits der Wellnessangebote, Hotelbroschüren und Gesundheitsversprechen. Wovon leben wir? Vom Reichtum, vom Besitz, von der Macht? Oder davon, reich bei Gott zu sein?

Am Erntedankfest dürfen wir uns daran erinnern lassen, wie wenig selbstverständlich die Gaben Gottes sind, die uns zum Leben verhelfen und welchen Sinn und Zweck sie letztlich haben: im Angesicht Gottes leben zu dürfen. So wird auch ein jeder und eine jede reich vor Gott, wenn er oder sie für das so wenig Selbstverständliche dankt und darüber die Gabe des Teilens empfängt.

Reich sind wir darin, dass Gott uns bei unserem Namen nennt, reich sind wir darin, dass Gott unsere Namen in sein Buch des Lebens aufgenommen hat, reich sind wir über die Taufe – eben genau darin, dass sich Gott uns ganz angeschlossen hat, dass wir seine Gegenwart nicht nur bedürfen, sie nicht nur erwarten in Krankheit, Angst, Schuld oder Leid, sondern uns seine Gegenwart in all diesen Situationen zugesprochen ist.

Text: Pastor Matthias Riemann, Projektreferent und Kulturbeauftragter im Stadtkirchenverband Hannover