Eine Andacht

„Sag mir, wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben?“ Pete Seeger, der friedensbewegte amerikanische Folksänger, hatte 1955 dieses Lied geschrieben. Gegen den Tod. Für das Leben. Sag mir, wo die Blumen sind – die, deren Blüten zum Fingerzeig werden, dass die Liebe bleibt – für mich ein wunderbares Osterlied.

Auch heute wird zu Ostern fröhlich gesungen. Manche nehmen ihre Lieder mit auf den Ostermarsch – eine schon so alte wie schöne Tradition der Friedensbewegung. Andere lassen ihre Lieder in ihrem Osterlachen erklingen – eine noch viel ältere Tradition, der Freude zu Ostern das Wort zu reden.

Denn als damals Jesus nicht mehr in seinem Grabe war, saß sie – die Geliebte, die Gefährtin? – davor und weinte. Schlimm genug, dass er gekreuzigt wurde. Aber nun war er nicht mehr da. Der Schmerz überrannte sie. Tränen kamen. Es war wohl alles zu viel. Verhaftung, Prozess, die Todesstrafe, der Gang vor die Stadt, der Tod. Viele Freunde hatte Jesus nicht mehr gehabt. Kaum jemand blieb unter dem Kreuz. Die Verbliebenen durften seinen Leichnam herabnehmen und in ein Grab legen. Als Maria dann so dasaß und weinte, kam einer vorbei, den sie für den Gärtner hielt. Er sprach zu ihr nur ein Wort: „Maria“; er sagte nicht mehr als dieses eine: den ihr so vertrauten Namen. Er sprach mit dem vertrauten Klang seiner Stimme. So angesprochen, sah sie den vor sich, den sie eben noch im Grab gesucht hatte. Auf ein einziges Wort hin verwandelt sich der Klang eines Wortes in eine Osternote.

Maria. Er sprach sie an. Und tatsächlich: Ihr Hören wandelte sich in Vertrauen. Maria, die erste Osterzeugin. Ein Wort hatte ihr Weinen in Freude verwandelt. Sein Du. Das ist es, was Ostern ausmacht und uns heute zu befremden droht: dass aus einem Hören eine bejahende Haltung folgt. Ein Geschenk zum neuen, wachen Leben, das Aufwachen in der Bejahung, in der Freude. Ein Geschenk, das ich annehmen darf. Wir könnten aufhören, nur an uns selber zu glauben und auf Ihn hören, im österlichen Glanz, im ewigen Tag des Herrn, in der goldenen Stadt, in einer Zukunft ohne Schmerz – und mit ihm von Angesicht zu Angesicht.   

Matthias Riemann, Pastor und Projektreferent des Stadtkirchenverbandes Hannover