Neues Pastorenehepaar El Karsheh auf dem Mühlenberg lädt zu ökumenischer Feier am Himmelfahrtstag ein

Nachricht Hannover, 26. Mai 2022

Wenn die Händler mittwochs ihre Stände auf dem Mühlenberger Markt direkt vor dem Ökumenischen Kirchencentrum aufbauen, fühlt sich Pastorin Nadia El Karsheh fast wie in Kairo. „Die unterschiedlichen Nationalitäten, das Rufen, Handeln und bunte Treiben erinnern mich an unser Auslandspfarramt in Ägypten“, sagt El Karsheh. Sechseinhalb Jahre war das Pastorenehepaar Nadia und Stefan El Karsheh in Kairo tätig, jetzt arbeiten sie auf dem Mühlenberg. Nadia El Karsheh als Pastorin der Bonhoeffergemeinde und landeskirchliche Beauftragte für christliche Kirchenmitglieder mit Migrationshintergrund, Stefan El Karsheh als Schulpastor an der IGS Mühlenberg.

Gut 100 Tage sind beide jetzt in ihren jeweiligen Ämtern, deren Aufgaben stark von der Multikulturalität des Stadtteils geprägt sind. Im Religionsunterricht steht Stefan El Karsheh vor christlichen, muslimischen, hinduistischen und konfessionslosen Schülerinnen und Schülern. In der Oberstufe kann es passieren, dass er im Unterricht muslimische Teilnehmende hat und spannende interreligiöse Diskussionen führen kann. „Es ist dabei absolut von Vorteil, dass ich mich im Islam auskenne und in einem muslimisch geprägten Land gearbeitet habe“, sagt der Pastor. Nadia El Karsheh weist darauf hin, dass „78 Prozent der Bevölkerung des Mühlenbergs eine Migrationsgeschichte hat“. „Unsere Kirchengemeinde bildet das noch überhaupt nicht ab“, sagt sie. Unter den Syrern, Ägyptern, Irakern, Schwarzafrikanern oder EU-Ausländern, die auf dem Mühlenberg lebten, gebe es durchaus evangelische Christinnen und Christen. „Die Frage ist, wie unsere Gemeinde aussehen müsste, damit sie für diese Menschen attraktiv ist“, überlegt die Pastorin. „Das kann aber nicht ohne deren Beteiligung entschieden werden. Deshalb ist der erste Schritt, sie zu suchen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“ Eine Gruppe, um die El Karsheh auch werben möchte, sind die oft kirchenfernen Kinder und Enkel der russlanddeutschen Mühlenberger Bevölkerung, „die in der Großelterngeneration noch eine starke kirchliche Bindung gehabt hat“.

Nicht zuletzt durch ihre eigene Familiengeschichte fühlt sich El Karsheh gut aufgestellt für die Arbeit mit Christinnen und Christen, die einen Migrationshintergrund haben. Ihr Vater, dessen Namen sie auch führt, kam als Palästinenser evangelischer Konfession in der 60er Jahren zum Studium nach Deutschland und gründete mit ihrer Mutter hier eine Familie. „Ich habe mich immer reich gefühlt mit den beiden unterschiedlichen Kulturen bei uns zu Hause“, erinnert sich die Pastorin. Zum Thema multikulturelle Gesellschaft stellt sie ihrem Land ein gutes Zeugnis aus. „Deutschland hat sich trotz aller durchaus existierenden Integrationsprobleme in den letzten Jahrzehnten positiv verändert“, stellt die 48-Jährige fest. „Heute ist die Herkunft aus gemischtkulturellen Familien viel alltäglicher, Kinder wachsen mit Spielgefährten aus anderen Kulturen auf und gehen mit ihnen zur Schule.“ Dennoch gebe es noch Integrations-Defizite beispielsweise bei der Bildungs- und beruflichen Chancengleichheit.

Interkulturell oder, wie Nadia El Karsheh es bevorzugt ausdrückt, transkulturell im Stadtteil Mühlenberg zu arbeiten, ist für das Pastoren-Ehepaar keine Einzelkämpfer-Aufgabe. „Wir finden hier ein sehr gutes Netzwerk vor, getragen von Menschen, die hier leben oder arbeiten und sich sehr kreativ, engagiert und niedrigschwellig für das Zusammenleben der unterschiedlichen Mühlenberg-Kulturen einsetzen“, haben beide erfahren. Spürbar wurde das, als Nadia El Karsheh gleich bei ihrem Amtsantritt mit dem Thema „Hilfe für die Ukraine-Flüchtlinge“ konfrontiert wurde. „Unsere Kirchengemeinde hat sehr schnell Sprachkurse mit Kinderbetreuung, Anlaufstellen für Geflüchtete und Unterstützung bei der Wohnungssuche organisiert“, erzählt sie. „Ohne die Unterstützung beispielsweise des Stadtteilzentrums wäre das nicht so reibungslos gelungen.“

Zum Thema Netzwerk gehört für die El Karshehs auch die Zusammenarbeit mit der katholischen St.-Maximilian-Kolbe-Gemeinde, mit der sich die Protestanten das Ökumenische Kirchencentrum teilen. „Wir feiern jede Woche zusammen Friedensandachten und pflegen eine eucharistische Gastfreundschaft“, erzählt Nadia El Karsheh. Nächstes Projekt ist eine gemeinsame Feier des 40-jährigen Gründungsjubiläums des Kirchenzentrums am Himmelfahrtstag, am 26. Mai. Sie beginnt um 11 Uhr mit einem ökumenischen Open-Air-Gottesdienst, bei dem Zeitzeuginnen und Zeitzeugen von der Einweihung des Zentrums am 2. Mai 1982 berichten. Austausch und Gespräche mit ihnen sind dann bei einem anschließenden kleinen Imbiss in einer „Erinnerungsecke“ möglich. Das Ökumenische Kirchencentrum war als gemeinsames Projekt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und des Bistums Hildesheim gegründet worden und sollte ein Forum für neue Formen des Miteinanders der beiden christlichen Religionen schaffen.