Das Flüchtlingsnetzwerk Hannover-Garbsen-Seelze unterstützt Geflüchtete mit Beratung, Begleitung und Seelsorge

Nachricht Hannover, 28. Dezember 2022

Das Evangelische Flüchtlingsnetzwerk des Stadtkirchenverbandes Hannover-Garbsen-Seelze bietet Geflüchteten seit rund sieben Jahren Beratung, Begleitung und Seelsorge an. Es wurde ursprünglich für die Unterstützung der Flüchtlinge gegründet, die 2015 und 2016 in großer Zahl nach Deutschland gekommen waren. Für die seit März aus der Ukraine geflüchteten Menschen hat das Flüchtlingsnetzwerk eine Reihe von neuen Angeboten entwickelt.

„Das Flüchtlingsnetzwerk Hannover-Garbsen-Seelze: Teil einer gut funktionierenden Struktur kirchlich-diakonischer Angebote, die gemeinsam mit den Diensten der ‚Diakonisches Werk Hannover gGmbH‘ sehr schnell, flexibel und effizient auf aktuelle, gesellschaftliche, auch schwerwiegende Herausforderungen und die Nöte von Menschen leidwendend, perspektivisch beratend und unterstützend reagieren kann“, sagt Diakoniepastor Friedhelm Feldkamp. „Ein großartiges Hilfeverbundsystem hier in Hannover, in Seelze und Garbsen und Perspektive für viele Menschen, denen sie abhanden zu kommen droht oder bereits abhandengekommen ist.“

So konnte sehr schnell und unbürokratisch eine Essensausgabe ins Leben gerufen werden, die anfangs in den CVJM-Räumen in der Innenstadt stattfand und seit Mitte Mai im Leibniz Cafè des Studentenwerks der Universität Hannover am Schneiderberg eingerichtet ist. Zwischen 150 und 180 Essen werden dort täglich ausgegeben, seit Mitte Mai rund 25 000. Ein 40-köpfiges Team Ehrenamtlicher, überwiegend selbst Geflüchtete, Organisierende der Diakonie und der Initiative HelpNetwork sind dabei maßgeblich beteiligt. Die Finanzierung erfolgte anfänglich durch die Stadt Hannover, dann unterstützten Kirchengemeinden, Stiftungen und Privatunternehmer das Projekt. „Während der Essensausgabe bieten wir einen Sprachkursus sowie einen sogenannten Formularservice an, dort erhalten Geflüchtete Beratung bei Dokumenten und amtlichen Schreiben, die sie nicht verstehen“, sagt Diakonin Margarethe von Kleist-Retzow, die mit einer halben Stelle für das Flüchtlingsnetzwerk arbeitet.

Ebenso wie ihr Kollege Pastor Jobst Reller ist die Diakonin auch auf dem hannoverschen Messegelände im Seelsorgeangebot der evangelischen Kirche tätig. In Sichtweite der Erstaufnahmestelle bauen die beiden Mitarbeitenden des Flüchtlingsnetzwerkes mehrmals in der Woche einen kleinen Stand auf, der mit einer weithin sichtbaren „Beachflag“ als Anlaufpunkt für Seelsorge gekennzeichnet ist. „Durch die zusätzliche Unterstützung von rund 20 ehrenamtlich arbeitenden Kolleginnen und Kollegen können wir dieses Seelsorgeangebot sogar nahezu täglich machen“, erzählt von Kleist-Retzow. Rund fünf Gespräche führt Pastor Reller, der auch Russischkenntnisse hat, dort an einem Nachmittag. „Es ist gut, dass ihr uns nicht alleine lasst“, hört er dabei als Rückmeldung. „Die Zeit in der Erstaufnahmestelle ist mit sehr großem Stress für die Ankömmlinge verbunden“, hat er beobachtet. Die Erlebnisse der Flucht, die Konfrontation mit der Bürokratie, fehlende Privatsphäre in den Messehallen-Unterkünften und die Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal setzten den Menschen stark zu.

Doch in einer Ausnahmesituation befinde sich auch die Mitarbeiterschaft des „ganzen Kosmos Erstaufnahmestelle“, sagt von Kleist-Retzow. „Niemand darf aus Sicherheitsgründen während der Arbeitszeit außer mit einem Shuttle die Halle verlassen“, berichtet sie. „Die Halle ist nur sparsam eingerichtet, es ist oft sehr laut dort und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen.“ Das Security-Personal leiste 12-Stunden-Schichten und verharre dabei manchmal stundenlang an einem Platz. Der Pastor und die Diakonin sind mittlerweile in der Messehalle bekannt und so finden auch immer wieder Mitarbeitende den Weg zum Seelsorgestand. „Hier arbeiten Menschen aus der Landesaufnahmebehörde, es gibt die Dolmetschenden, die Security, den ASB als Organisator, das Catering, die Reinigungskräfte, die Impfteams“, zählt Reller auf. „Viele von ihnen haben selbst eine Migrationsgeschichte und was sie hier erleben, geht nicht spurlos an ihnen vorüber. Besonders berührt viele die Situation der in den Messehallen lebenden Flüchtlingskinder.“ Seelsorge der evangelischen Kirche sei auch deshalb an diesem Ort sinnvoll und notwendig, „weil wir hier als neutral wahrgenommen werden, eine Einrichtung, die keine eigenen Interessen verfolgt, sondern einfach nur für die Menschen und ihre Anliegen und Nöte da ist“, sagt der Pastor. Seine Kollegin und er würden sich freuen, wenn noch weitere Seelsorgerinnen und Seelsorger zu dem jetzt rund 20-köpfigen ehrenamtlichen Team dazukommen würden.    

Ein weiterer Einsatzort für Reller und von Kleist-Retzow ist die Nenndorfer Chaussee. Dort befindet sich eine Flüchtlingsunterkunft für Ukrainerinnen und Ukrainer sowie eine große Halle, in der Spenden gesammelt und weiterverteilt werden. „Die von Ehrenamtlichen geleistete Arbeit in der Spendenhalle ist angesichts des Bedarfs bei den rund 10.000 geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern im Raum Hannover eine riesige logistische Herausforderung“, sagt Reller. Wenn er in seiner Weste mit dem Aufdruck „Seelsorge“ durch die Halle oder die Flüchtlingsunterkunft mit ihren rund 100 Plätzen geht, nimmt er sich Zeit, um zuzuhören, in Hilfsangebote weiterzuvermitteln oder auf Möglichkeiten wie Deutschkurse oder Gottesdienste hinzuweisen. „Die Friedensandachten für die Ukraine in der Lukas- und der Marktkirche boten den Geflüchteten Gelegenheit, in ihrer Muttersprache zu beten und zu singen oder mit Kerzen ihrer Angehörigen zu gedenken“, berichtet Reller. „Danke, dass ihr uns einen Ort zum Beten gebt“, äußerte ein Ukrainer dabei bewegt.  

Eine andere Initiative des Flüchtlingsnetzwerkes ist die Einrichtung der sogenannten „Blaugelben Treffpunkte“ in Kirchengemeinden. Sozialarbeiter Jan Jelinski und Diakonin Birgit Fitz koordinieren dieses Angebot seit März. Diese Begegnungsorte sollen Anlaufstellen für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer sein, ihnen Räume für Treffen sowie Angebote zur Verfügung stellen. „In den aktuell acht ‚Blaugelben Treffpunkten‘ finden Sprachkurse statt, es gibt dazu Kinderbetreuung oder spezielle künstlerische Angebote für Kinder“, erzählt Jelinski. Rund 40 Ehrenamtliche engagieren sich für die Treffpunkte und initiieren Projekte. So boten Vertreterinnen des Clubs „Soroptimist“ in der Lister Apostelkirche Sprachlernkurse für Vorschulkinder an, deren Mütter sich während der Kursuszeit über ihre Situation austauschen konnten. In der Lister Johannes- und Matthäuskirche malte eine ukrainische Künstlerin mit Kindern Bilder, in denen diese Fluchterlebnisse verarbeiten konnten. Weiter ist jetzt ein Musikangebot mit ukrainischen Liedern angelaufen. „Diese speziellen Angebote sowie die Sprachkurse werden sehr gut angenommen“, berichtet Jelinski. „Die ‚Blaugelben Treffpunkte‘ sind für beide Seiten bereichernd, es entstehen ein wechselseitiger Kulturaustausch und auch über ein Projekt hinausgehende Kontakte.“   

Um Geflüchteten aus der Ukraine noch weitergehende Beratungsmöglichkeiten zu bieten, hat das Flüchtlingsnetzwerk jetzt ein psychosoziales Projekt in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirchengemeinde Roderbruch gestartet. Fünf Geflüchtete bieten dort psychologische Unterstützung an, Ratsuchende erhalten Beratung in ihrer Muttersprache. Die Geflüchteten können in Deutschland in ihrem Beruf nicht arbeiten. Über ein Internetportal, das die Initiative helpNetwork entwickelt hat, werden die Gesprächstermine vereinbart. „Es geht um Themen wie Trennung, Heimweh, Orientierungsschwierigkeiten in der neuen Umgebung oder Probleme mit den Kindern, die durch die Flucht aus ihrem Umfeld gerissen wurden“, sagt Koordinator Johannes Meyer vom Flüchtlingsnetzwerk. Für die Geflüchteten sei dieses Angebot „inmitten all ihrer Probleme ein geschützter Raum, in dem sie ihre Sorgen besprechen können“, hat er erfahren.  

Für die Arbeit des Flüchtlingsnetzwerkes sei die Kooperation mit weiteren Unterstützungs-Initiativen sehr wichtig, sagt Insa Becker-Wook, Pressesprecherin des Stadtkirchenverbandes und Mitinitiatorin des Netzwerkes. So arbeitet das Netzwerk eng mit dem Ukrainischen Verein in Niedersachsen zusammen, weitere Partner sind die von Ukrainern gegründete Initiative helpNetwork und die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirchengemeinde St. Wolodymyr. Auch zahlreiche Sponsorinnen und Sponsoren unterstützen die Arbeit des Netzwerkes, dabei insbesondere die Essensausgabe, wie zum Beispiel die Ricarda und Udo Niedergerke Stiftung oder der Unternehmer Dirk Rossmann. „Ohne die Vernetzung der Kirche mit der Stadtgesellschaft und lokalen Initiativen wäre die dauerhafte und erfolgreiche Arbeit des Netzwerkes kaum möglich“, sagt Becker-Wook und hofft, dass die Förderung und Unterstützung der Arbeit des Flüchtlingsnetzwerkes auch in Zukunft weiter gesichert werden kann.