Brücken bauen für Geflüchtete

Nachricht Hannover, 17. Juni 2021

Das Ausbildungs-Projekt „Ponte-Azubis“ wird jetzt abgeschlossen

Ponte-Azubis-Hannover
„Ohne PonteAzubis hätte ich meine Ausbildung nicht geschafft“, sagt Jiana K. aus Syrien. Sozialassistentin ist ihr Wunschberuf. Foto: Prova N. Nizamy

In dem kleinen Café, wo sich Jiana K. und Vera Lemke regelmäßig trafen, waren die jungen Frauen bald bekannt. „Die haben gleich die  Musik leiser gestellt, wenn wir kamen“, erzählt Lemke lachend. Stille  brauchte das PonteAzubis-Tandem auch, denn statt um Kaffee und Kuchen  ging es um Vokabeln und Prüfungsfragen. Denn  Lemke half der Syrerin, ihre Ausbildung zur Sozialassistentin erfolgreich abzuschließen. Beide  gehören zu dem Projekt PonteAzubis, das der Kirchliche Dienst in der  Arbeitswelt (KDA) und das Diakonische Werk Hannover 2018 gestartet  haben. Es unterstützt Geflüchtete bei der Berufsorientierung und  -ausbildung und wurde maßgeblich von der Region Hannover mitfinanziert.  Mit einer feierlichen Abschlussveranstaltung am 22. Juni in der  Kreuzkirche wird das Projekt jetzt beendet.

„Brücken zu bauen, war die Aufgabe von PonteAzubis“, erzählt  Projekt-Koordinatorin Kathrin Altmann. Denn trotz teilweise guter  Schulabschlüsse und hoher Motivation sei es für geflüchtete Männer und  Frauen sehr schwierig, auf dem deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt  Fuß zu fassen. Sie müssten die deutsche (Fach-)Sprache beherrschen, sich  in der neuen Kultur zurechtfinden und mit bürokratischen Anforderungen  umgehen, während häufig ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt sei und sie noch  unter traumatischen Kriegs- und Fluchterlebnissen litten, zählt Altmann  nur einige der Hindernisse auf.

Kern des PonteAzubis-Projekts ist die Bildung von Tandems. Eine Patin  oder ein Pate begleiten den jungen Menschen während der Ausbildung, helfen beim Lernen, motivieren und sind Ansprechpartner für Probleme und  Fragen. „Das Tandem ist in das Gesamtprojekt eingebettet“, sagt  KDA-Projektleiterin Waltraud Kämper. „Mit allen Teilnehmenden haben wir  regelmäßige Treffen durchgeführt, es gab Workshops und gezielte  Einzelberatung.“ Kämper und Altmann sorgten auch für den Kontakt zu  ausbildungswilligen Betrieben, zum Jobcenter und zu Kammern und  Behörden. „Es mussten immer wieder Türen geöffnet werden, denn es galt  auch, Vorurteile abzubauen und um Vertrauen zu werben“, blicken sie zurück.

Für die knapp 30 Teilnehmenden, darunter knapp vierzig Prozent  Frauen, hat sich das Projekt gelohnt. Zwei Drittel von ihnen konnte eine  Ausbildung abschließen oder wird dies in den kommenden Monaten tun.  Speditionskaufmann, Krankenschwester, Maler oder Maschinen- und  Anlagenführer sind einige der Berufe, in denen die 20- bis 33-Jährigen  arbeiten werden. Ihre Herkunftsländer sind vor allem Syrien,  Afghanistan, Mali und Irak, aber auch Palästina, Ghana und Ruanda.  „Überproportional viele von ihnen sind mit Abitur oder einem  Hochschulabschluss nach Deutschland gekommen“, erzählt Kämper.

Für Jiana K., die in Syrien Philosophie studieren wollte, ist  Sozialassistentin ihr Wunschberuf.  „Ohne PonteAzubis hätte ich meine  Ausbildung nicht geschafft“, sagt sie. „Und ohne Vera auch nicht“,  ergänzt die 26-Jährige mit einem Seitenblick auf Lemke. Jianas  Festanstellung in einem Kindergarten feiern die beiden jetzt auch als  Freundinnen. Eine Arbeitskollegin hatte Lemke vor zweieinhalb Jahren als  Ausbildungspatin  für PonteAzubis gewonnen. „Mich hat das sofort  angesprochen, denn Menschen zu begleiten ist mir ein Herzensanliegen“,  sagt die Sozial- und Organisationspädagogin. Ein Lernprozess waren die  vergangenen Jahre für beide Frauen. „Durch den Kontakt mit Jiana hat  sich meine Sicht auf viele Dinge verändert“, erzählt Lemke. „Wie krass  das ist, in so jungen Jahren Krieg zu erleben, wie rassistisch unsere  Gesellschaft ist und was eigentlich Glück und gutes Leben ausmachen.“

Freundschaften zwischen den Patinnen und Paten und ihren Schützlingen  seien nicht die Regel, doch einen menschlichen Veränderungsprozess  hätten einige der Ehrenamtlichen im Projekt durchlaufen, sagen Kämper  und Altmann. Nach dem Projektende im Sommer würden sicher noch einige  Tandem-Beziehungen bestehen bleiben. Deutlich sei, dass der Bedarf von  Auszubildenden an Projekten wie PonteAzubis groß ist. „Für die  Integration von geflüchteten Menschen in den Ausbildungs- und  Arbeitsmarkt bleibt noch viel zu tun“, sagt Kämper.

Das Haus kirchlicher Dienste unterstützt und ergänzt als übergemeindliche Einrichtung die Arbeit der Kirchengemeinden in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Aktuelle Themen und Fragestellungen werden hier aufgegriffen und zentral bearbeitet, so dass die Inhalte für die kirchliche Arbeit vor Ort zur Verfügung stehen. Zu den wesentlichen Aufgaben der Referentinnen und Referenten gehören die Entwicklung und Bereitstellung von Materialien, die Weiterbildung von Haupt- und Ehrenamtlichen, die individuelle Beratung sowie der inner- und außerkirchliche Dialog.

Sabine Dörfel/Öffentlichkeitsarbeit im Haus kirchlicher Dienste

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