Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann geht in den Ruhestand

Nachricht Hannover, 13. Juni 2021

Schon das Äußere der Kirche hatte es ihr angetan, als sie sich vor 17 Jahren um die Stelle der Marktkirchenpastorin bewarb. „Ich liebe die alten Backsteinkirchen“, sagt Hanna Kreisel-Liebermann. „Und die Marktkirche in Hannover gehört gewiss zu den schönsten in Niedersachsen.“ Am Sonntag, 13. Juni, wird Kreisel-Liebermann mit einem feierlichen Gottesdienst in ihrer Kirche in den Ruhestand verabschiedet.

Als Citykirche der Landeshauptstadt spielt die Marktkirche eine prägende Rolle in der Stadtgesellschaft. Welches Profil hat Kreisel-Liebermann in ihrer Amtszeit der Marktkirche gegeben? „Als ich 2003 kam, war die Marktkirche schwerpunktmäßig eine Kulturkirche“, blickt die in Lüneburg aufgewachsene Pastorin zurück. „Das ist sie mit ihrem reichen Konzertangebot, den erstklassigen Orgeln und vielfältigen Ausstellungen immer noch. Doch ich wollte auch einen Ort für Seelsorge und Diakonie mitten in die Stadt haben.“ Ganz wörtlich war das zu verstehen, als Obdachlose im Februar dieses Jahres bei Minustemperaturen Schlafplätze im Kirchenschiff fanden. „Das Thema Wohnungslosigkeit hat mich in den 90er Jahren schon als Pastorin an der Citykirche St. Jakobi in Göttingen beschäftigt“, sagt Kreisel-Liebermann. Kunst und Diakonie müssen sich nicht ausschließen. „Wir haben hier die großen Wander-Ausstellungen der Diakonie wie ‚Kunst trotz(t) Ausgrenzung‘ und  ‚Kunst trotz(t) Demenz‘ gezeigt“, erinnert sie sich. „Und mit der „Lampedusa-Lesung“, ein Stück über den Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer, waren wir eine der ersten Kirchen in Deutschland.“

"Luther war auch sehr gut vernetzt"

Sollte Kreisel-Liebermann einen roten Faden ihrer Arbeit als Pastorin benennen, ist es das Thema „Gerechtigkeit“. „Ich bin ein politischer Mensch“, charakterisiert sie sich. Als Rednerin, Organisatorin oder Teilnehmerin, Kreisel-Liebermann ist dabei, wenn Hannoveranerinnen und Hannoveraner gegen Rechtsextremismus Stellung beziehen, mit Menschenketten für die Aufnahme von Flüchtlingen demonstrieren oder einen schützenden Ring vor Synagogen bilden. Zu Bürgerpredigten in die Marktkirche bittet sie den Altkanzler Gerhard Schröder oder die Präsidentin der Musikhochschule Susanne Rode-Breymann. Künstlerinnen wie Denise M’Baye oder die Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta waren jüngst Gäste beim Adventskalender in der Citykirche. Kreisel-Liebermanns Schlüsselwort heißt Vernetzung. Vorbild dafür ist kein Geringerer als Martin Luther, dessen Bronzeplastik gleich neben dem Hauptportal der Kirche zu finden ist. „Der Reformator hat verstanden, dass man extrem gut vernetzt sein muss, um wirksam zu werden.“

Solidarität und Kritik gehören zusammen

Hannover biete als Stadt dafür beste Voraussetzungen. „Wir haben hier beispielsweise einen guten interreligiösen Dialog, die Religionsgemeinschaften gehören zu den zentralen Akteuren der Stadt“, lobt die Pastorin, die selbst Vorsitzende der Gesellschaft  für christlich-jüdische Zusammenarbeit Hannover ist.  Überhaupt Hannover: „Die Stadt ist durch eine relativ offene Gesellschaft gekennzeichnet, es gibt wenig Dünkel hier, eine starke Ehrenamtskultur in vielen gesellschaftlichen Bereichen“, zählt sie auf. „Hannover ist seit der Jahrtausendwende bunter, vielfältiger und inklusiver geworden.“ Aber: „Knapp 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Hannover sind arm“, kritisiert Kreisel-Liebermann. „Das darf in einer Stadt, die im Ganzen gut situiert ist, nicht sein.“ Auch dass es in Hannover nicht genügend bezahlbaren Wohnraum für Geringverdienende gibt, ist für die Pastorin „nicht hinnehmbar“. Solidarisch gestalten und deutlich Kritik üben gehört zusammen für eine Frau, die sich durch die Anti-Atomkraft-, die Friedens- und die Frauenbewegung geprägt sieht. Zum Glück für ihren Berufsweg begegnete sie im Studium auch der feministischen Theologie, denn „ohne sie hätte ich nicht weitergemacht“.

Wird es denn im Ruhestand Ruhe geben? „Seit meinem 25. Lebensjahr habe ich persönliche und berufliche Verantwortung getragen“, sagt die teilweise alleinerziehend gewesene Mutter von drei Söhnen. Jetzt ist sie neugierig, wie ein Leben ohne Terminkalender aussieht. „Viel draußen im Garten, unterwegs mit meinem Mann, vielleicht noch mal Saxofon lernen und sicher häufige Treffen mit den sechs Enkeltöchtern und einem Enkelsohn“, skizziert sie die kommende Zeit. Und die schöne Kirche in Hannovers Innenstadt? Ja, auch dort wird sie manchmal noch zu finden sein, denn „die Marktkirche gehört für mich zu den stärkenden Orten.“ 

Information: Der Gottesdienst am Sonntag, 13. Juni, beginnt um 15 Uhr in der Marktkirche. Anmeldung für die rund 200 Plätze: E-Mail: marktkirche.hannover@evlka.de, Telefon  0511 – 3643720.  Er wird live übertragen auf h1 Fernsehen aus Hannover und auf www.marktkirche-hannover.de. 

Sabine Dörfel/Öffentlichkeitsarbeit im Stadtkirchenverband Hannover     

                 

Marktkirche Hannover