20 Jahre Wiedereintrittsstelle in der Buchhandlung an der Marktkirche

Nachricht 28. Mai 2020
Stephan Lackner
Pastor Stephan Lackner lädt zum Wiedereintritt in die Kirche ein. Foto: Sabine Dörfel

Willkommenskultur statt Skepsis

Gerade mal acht Minuten dauert ein Kircheneintritt bei Stephan Lackner. „Es kann sich aber auch ein zweistündiges Gespräch ergeben“, sagt der Pastor, der seit sechs Jahren für die Wiedereintrittsstelle in der Buchhandlung an der Marktkirche arbeitet. „Ich gehe sehr individuell auf die Anliegen der Menschen ein.“

Wer in die Kirche eintritt, weil er einen kirchlichen Arbeitgeber hat oder Taufpate sein möchte, bekommt die notwendigen Formulare von Lackner umstandslos. „Dies sind auch die häufigsten Gründe für einen Eintritt oder die Rückkehr in die Kirche“, erzählt er. Doch dann gibt es auch die Menschen, die der Kirche  jahrelang den Rücken gekehrt haben und „jetzt wieder Teil der Gemeinschaft sein möchten“. In ihrer Ortsgemeinde schämten sie sich vielleicht, wieder beim Pastor anzuklopfen. „Häufig suchen sie im Internet und stoßen dann auf die zentral gelegene Stelle in der Buchhandlung“, hat Lackner erfahren.

Niedrigschwelligkeit ist die zentrale Idee der Wiedereintrittsstelle, die jetzt ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. „Kirchenaustritt war früher ein Tabuthema und wer wieder eintreten wollte, glaubte sich rechtfertigen zu müssen“, sagt der Pastor. In den 90er Jahren habe ein Umdenken eingesetzt. Willkommenskultur statt Skepsis gegenüber Eintrittswilligen, lautete die Devise. „Als treibende Kraft hat der damalige Stadtsuperintendent Wolfgang Puschmann ungeachtet anfänglicher Widerstände Pionierarbeit geleistet“, erinnert sich Pastor Michael Wohlers, der die erste Wiedereintrittsstelle der hannoverschen Landeskirche  13 Jahre leitete. Die Stelle öffnete am 31. Mai 2000, am Vorabend der Expo in Hannover. Mittlerweile gibt es 14 Wiedereintrittsstellen in der gesamten Landeskirche.

Rund 5000 Menschen haben seit 2000 in der freundlich möblierten, dezent abgetrennten Ecke in der Buchhandlung an der Marktkirche ihren Eintritt oder ihre Rückkehr in die Kirche erklärt. Die meisten seien zwischen 25 und 50 Jahre alt, etwas mehr Frauen als Männer, erläutert Lackner. Der Entschluss zum Wiedereintritt fällt im Schnitt innerhalb von zehn Jahren nach dem Austritt, der zumeist auf finanzielle Gründe zurückgeht. In Spitzenzeiten hat der Pastor bis zu sechs Kircheneintritte pro Tag. Während der Corona-Zeit war die Stelle nur telefonisch erreichbar, doch das war kein Problem. „Ich habe in den vergangenen Wochen 15 Leute wieder aufgenommen, die notwendigen Formulare wurden dann eben per E-Mail ausgefüllt“, sagt er. Ab Juni ist Lackner wieder in der Buchhandlung an der Marktkirche präsent. 

„Die Wiedereintrittsstelle ist ein Glücksfall für Hannover“, sagt der Amtierende Stadtsuperintendent Thomas Höflich. „Die Leiter und Ehrenamtlichen haben unsere Kirche wieder als einladende Kirche erlebbar gemacht. Durch persönliche Begegnungen und Veranstaltungen haben viele einen neuen oder erneuten Zugang zum Glauben gefunden und deshalb werden wir diese Arbeit fortsetzen.“ Eigentlich hatte die Wiedereintrittsstelle Anfang Juni ein großes Jubiläumsfest vor der Marktkirche geplant, das coronabedingt ausfällt. Dort sollte dann auch Lackners Wohnmobil stehen, mit dem er als „mobile Wiedereintrittsstelle“ bei Großveranstaltungen, Messen oder Gemeindefesten präsent ist.

Auf die Menschen zugehen und einladend sein, ist nach wie vor die Devise der Wiedereintrittsstelle. Dazu gehört auch das Angebot von Taufkursen für Menschen, die neu in  die Kirche eintreten möchten. Das betreffe knapp 20 Prozent der Eintrittswilligen, berichtet der Pastor. Für die Zukunft wünscht er sich, dass sein Arbeitsbereich noch stärker Anlaufstelle für Service und Information wird. „Die Wiedereintrittsstelle ist von Montag bis Freitag von 15 bis 19 Uhr ständig besetzt“, sagt er. „Wer Fragen zum Thema Kirche hat, Informationen über Taufen, Beerdigungen oder Hochzeiten braucht, kann ohne Anmeldung  kommen, in der Regel habe ich immer Zeit für spontane Besucher.“  Dies könne auch Pfarrbüros entlasten, die häufig stark begrenzte Öffnungszeiten hätten.

Ebenso möchte Lackner das Standbein Seelsorge der Wiedereintrittsstelle langfristig festigen. Mit der Übernahme der Stelle hat er die Cityseelsorge eingerichtet. Täglich, außer sonntags, zwischen 13.30 und 15 Uhr bietet er Gesprächsmöglichkeiten in der Marktkirche an, auch dies niedrigschwellig. „Jeder kann unverbindlich und ohne Voranmeldung kommen, das Angebot ist auch nicht auf Kirchenmitglieder beschränkt“, sagt Lackner. Die Gründungsdevise der Wiedereintrittsstelle, als einladende Kirche auf Menschen zuzugehen, sei nach wie vor richtungsweisend, bekräftigt er. „Mit dem Kurs werden wir auch die nächsten zwanzig Jahre erfolgreich bestehen.“

Alle weiteren Informationen finden Sie auf der Website der Wiedereintrittsstelle. 

Sabine Dörfel/Referat für Öffentlichkeitsarbeit des Stadtkirchenverbandes