Foto: Markus Lampe

Die Hälfte des Einkommens für die Miete

Nachricht 06. Juni 2019

Günter Zinke hat relativ Glück. Der Rentner und seine Ehefrau geben knapp 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. Auch eine junge hannoversche Mutter setzt ihren Klebepunkt auf der Stellwand am Diakoniestand bei der 30-Prozent-Marke. „Mehr darf es aber nicht werden“, sagt sie und sorgt sich, dass bei weiterem Familienzuwachs eine neue Wohnung nicht mehr bezahlbar sein könnte. „Wieviel Prozent Ihres Nettoeinkommens geben Sie für die Miete aus?“ hatten die Schuldnerberater Passanten gefragt, diese konnten ihre Antworten mit roten Punkten auf einer Skala markieren.

Mit einem gemeinsamen Aktionstag in der Innenstadt Hannovers hatten Schuldnerberater der Diakonie, Caritas und AWO unter dem  Motto „Albtraum Miete“ jetzt auf die zunehmenden Wohnungsprobleme von Geringverdienern und Hartz-4-Empfängern hingewiesen. Bei dem Aktionstag informierten die Schuldnerberater an einem „Wohnzimmer“-Stand und standen für Gespräche bereit. Das Interesse an dem Thema sei sehr groß gewesen, sagte Diakonie-Schuldnerberaterin Martina Sievers von der Diakonie. Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes wies darauf hin, dass in Hannover „kleine kostengünstige Wohnungen fehlen, so dass sich viele Menschen verschulden.“  

Hier müsse mit mehr Sozialwohnungen gegengesteuert werden, forderte er. Weiter sagte er: „Immer mehr Menschen sind dabei, sich zu überschulden. Die Probleme in der Beratung werden immer komplexer. Ein großer Baustein sind die steigenden Mietpreise. Fast ein Viertel aller Ratsuchenden in den Schuldnerberatungsstellen von Diakonie, Caritas und AWO haben Probleme, ihre Miete zu bezahlen. Immer häufiger werden 50 Prozent des Nettoeinkommens für Miete aufgewandt. Hier erleben wir gerade die Folgen einer Fehlentwicklung. Es gibt zu wenig öffentlich geförderte Wohnungen. Und auch wenn das Problem erkannt ist, nimmt ihre Zahl immer noch weiter ab. Bundesweit in den letzten zwei Jahrzehnten um mehr als die Hälfte weniger, hier in Hannover nicht ganz so dramatisch, aber auch hier sinkt die Zahl der geförderten Wohnungen. Vor 10 Jahren 20 600, jetzt keine 19 000 mehr, ein Minus von 1700 Wohnungen.“

Müller-Brandes kritisierte, dass „es für Eigentümer einfach interessanter ist, frei zu vermieten. Alleinerziehende Mütter etwa baden das aus, weil die Mieten deutlich schneller steigen als Löhne oder staatliche Unterstützungssysteme. Die meisten Ratsuchenden sind entsprechend weiblich, zwischen 30 und 50, nicht in einer Partnerschaft lebend.“ Er forderte, dass „Land und Kommunen den Bau von Sozialwohnungen vorantreiben müssen. Damit große Konzerne mit Sitz in Übersee mit ganz anderen Renditeerwartungen nicht zunehmend das Marktgeschehen in unseren Städten bestimmen. Mit der Folge, dass es immer öfter zu einem Albtraum Miete führt, der dann häufig auch mit einer hohen psychischen Belastung einhergeht, was dann auch nicht folgenlos bleibt. Hier müssen wir gegensteuern.“

Sabine Dörfel