Foto: Markus Lampe

Gartenkirche gewinnt chrismon-Gemeindewettbewerb

Veranstaltung Gartenkirche, Hannover, 25. August 2019

Am 25.08.2019, 12:00 Uhr

ChrismonPreis
Der Kurde Hamid L. hilft in der Gartenkirche wie hier beim Stecken der Liednummern für den Gottesdienst. Foto: Sabine Dörfel

"Das Feuer brennt"

Die Gartenkirche St. Marien hat den ersten Preis in dem Wettbewerb „chrismon-Gemeinde 2019“ gewonnen. „Wir sind überrascht und freuen uns sehr“, sagt Kirchenvorsteherin Martina Niederlag. Prämiert wurde das Projekt „Kein Mensch ist fremd“, es beinhaltet die Integrationsarbeit mit Menschen aus dem persisch-kurdischen Sprachraum. Die Jury des evangelischen Magazins chrismon überzeugte vor allem, dass die Gartenkirche den größtenteils geflüchteten Iranern und Afghanen seit 2013 neben alltagspraktischen Hilfen Gemeindezugehörigkeit auf Augenhöhe mit den langjährigen Gemeindegliedern anbietet.

„Wir wollen ihnen als christliche Geschwister auch nach ihrer Taufe eine spirituelle Heimat geben“, sagt Niederlag. Mit Erfolg, denn mittlerweile sind von den rund 130 ständigen Besuchern des Sonntagsgottesdienstes etwa 30 Prozent Iraner und Afghanen oder auch konvertierte Kurden. Es ist die Mischung aus der Unterstützung im Alltag wie beispielsweise bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche, durch Sprachkurse, Gesprächskreise oder einem Mittagstisch und dem spirituellen Angebot der Gemeinde, die bei den Geflüchteten ankommt. „Wir feiern unseren Gottesdienst als evangelische Messe“, erzählt Niederlag. „Diese spezielle Form mit gesungener Liturgie, der gregorianischen Schola, dem Kreuztragen und Abendmahl oder dem persönlichen Friedensgruß liegt unseren neuen Geschwistern. Es ist eine Feier mit Herz, Hand und Gefühl und auch wer die Sprache noch nicht beherrscht, kann aktiv teilnehmen.“ Mittlerweile gibt es ein iranisches Ministranten-Team, das Kirchencafé wird selbstständig von iranischen Frauen organisiert, zwei Iraner arbeiten als Küstervertreter und im vergangenen Jahr wurde erstmals eine Iranerin in den Kirchenvorstand berufen.

240 Iraner und Afghanen gehören der Gemeinde an, die zudem einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Zugepfarrten aus anderen Stadtteilen hat. „Durch die neuen Geschwister ist unsere Gemeinde jünger, lebendiger und vielfältiger geworden“, berichtet Diakonin Sabine Clausmeyer, die das Integrationsprojekt hauptamtlich begleitet. „Ohne ein Ehrenamtlichen-Team wäre diese Integrationsarbeit allerdings nicht möglich gewesen.“ Rund 25 Männer und Frauen engagieren sich in dem Projekt, geben Sprachkurse, bieten Geflüchteten ein Berufscoaching an oder begleiten bei Behördengängen. Natürlich habe es am Anfang auch hier und da Vorbehalte, Zurückhaltung oder Ängste in der Gemeinde bezüglich des Integrationsprojektes gegeben. „Bei unserem ersten gemeinsamen Gemeindefest 2013 gab es getrennte persische und deutsche Tische“, blickt Clausmeyer zurück. „Als wir dieses Jahr die Osternacht feierten, saßen alle bunt gemischt.“

Es ist noch etwas anderes, das zum Gelingen des Projektes beigetragen hat. „Wir lassen enge Beziehungen mit den Neuankömmlingen in unserer Gemeinde zu“, sagt Niederlag. Leitfaden dafür sei in der Gemeinde die Nächstenliebe, die uns ein „inneres Bedürfnis ist“. „Wir bekommen so viel zurück“, betont die Kirchenvorsteherin. „Es ist wie ein Feuer, das angezündet wurde und jetzt brennt.“ Es sei nicht nur die große Bereitschaft der iranischen und afghanischen Christen, sich in der Gemeinde zu engagieren und zu helfen, nicht nur dass die Gemeindefeste „trubeliger, kulinarisch vielfältiger  und bunter“ werden, es seien auch die einzelnen Geschichten und Erlebnisse der Flüchtlinge, die erzählt und geteilt werden und die „das große Thema Flüchtlingsproblematik ganz nah rücken lassen“. Und es seien die Erfahrungen der Verfolgung als Christen im Iran, die „uns hier ergreifen und erschüttern“, fügt Niederlag hinzu. Wenn zum Beispiel Untergrund-Hauskirchen verraten wurden, wenn das Steinigen von Frauen öffentlich als Strafe vollzogen wurde, „dann ist das, was wir in der Bibel lesen, für diese Menschen erlebte Wirklichkeit gewesen“, berichtet Niederlag. Der erste Preis im chrismon-Wettbewerb sei eine große Anerkennung und „Wertschätzung der Gemeindearbeit von außen“, ergänzt Pastor Dietmar Dohrmann.

Mit dem Preisgeld von 3000 Euro kann die Gartenkirche einen Teil von Clausmeyers Stelle finanzieren.  Die Übergabe des Preises erfolgt am Sonntag, 25. August, um 12 Uhr in der Gartenkirche, zuvor wird um 10 Uhr die Evangelische Messe gefeiert, die musikalisch vom Chor der Medizinischen Hochschule Hannover begleitet wird. An der Preisverleihung werden auch Vertreter der anderen Gemeinden, deren Gemeindeprojekte prämiert wurden, teilnehmen. Insgesamt 16 Preise mit einem Gesamtwert von 16 500 Euro wurden von der Jury ausgelobt. Die Auszeichnungen werden für  kreative und wegweisende Gemeindearbeit verliehen. Als Redner sind unter anderem Arnd Brummer, Geschäftsführender Herausgeber chrismon, und Enno Haaks, Generalsekretär des Gustav Adolf Werks, anwesend. Im Anschluss an die Preisverleihung lädt die Gemeinde noch zu einem Empfang im Pfarrgarten ein.

Sabine Dörfel