Kirchengemeinden reagieren mit kreativen Angeboten auf Corona-Krise

Nachricht 25. März 2020

Ein Fenster zur Straße

Kreative Kirchengemeinden
Gemeindesekretärin Petra Bonge öffnet Besuchern jetzt das Fenster statt der Bürotür. Foto: Sabine Dörfel

„Abgabe- und Annahmeschalter“ steht auf dem kleinen weißen Schild am Fenster. Das hier ist keine Postfiliale und auch kein Lottoladen. Es ist das Kommunikationsfenster der Nordstädter Kirchengemeinde in Corona-Zeiten. Ihr Gemeindebüro liegt im Erdgeschoss direkt an dem großen Platz vor der Lutherkirche. Viele Passanten kommen hier vorbei, besonders wenn am Donnerstag Wochenmarkt ist.

Gemeindesekretärin Petra Bonge lächelt freundlich aus dem halb geöffneten Fenster. „So sind wir erreichbar, wenn jemand einen Patenschein oder andere Dokumente benötigt“, erzählt sie. „Auch der Postbote braucht so nicht in das Büro kommen.“ Ganz wichtig wurde das Fenster aber, als eine Wohnungslose bei Bonge Hilfe suchte. Fast alle Anlaufstellen für Menschen ohne Wohnung waren plötzlich geschlossen, darunter auch Tafeln und Essenausgaben. Bonge half unbürokratisch, reichte etwas zu essen, zu trinken und einen Notgroschen auf die Straße hinunter. „Inzwischen ist die Versorgung Wohnungsloser wieder angelaufen, doch solche Notfälle können immer wieder vorkommen“, sagt die Sekretärin.

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Wegen der Corona-Pandemie müssen alle Gemeindeveranstaltungen bis auf Weiteres abgesagt werden. Foto: Sabine Dörfel

Sicherheitsabstand beim Verteilen von Gruß-Postkarten

Hilfe für Menschen, die durch die derzeitigen Einschränkungen des öffentlichen und auch kirchlichen Lebens in Schwierigkeiten geraten könnten, war auch für Diakonin Sabine Clausmeyer von der Gartenkirche das Gebot der Stunde. „Wir haben sehr schnell eine Postkartenaktion für die über 70-jährigen Gemeindeglieder gestartet“, sagt sie. Sechs Konfirmanden und sechs erwachsene Ehrenamtliche reagierten sofort auf Clausmeyers Bitte um Mithilfe und steckten 330 Karten mit einem Gruß und Hilfsangebot in Hausbriefkästen. „Natürlich haben wir hier auch auf Sicherheit geachtet“, sagt die Diakonin. „Die Verteiler sind höchstens zu zweit losgezogen und zum Abholen der Grußkarten habe ich sie immer mit zeitlichem Abstand ins Gemeindebüro bestellt.“

Die Gartenkirche sei eine „sehr gottesdienstbezogene Kirche“, berichtet Clausmeyer weiter. Neben der sonntäglichen Feier der evangelischen Messe bietet sie dreimal in der Woche noch einen kurzen Abendmahlsgottesdienst an. Die Diakonin stand vor der Kirchentür, als diese das erste Mal in der jüngeren Geschichte der Gemeinde sonntagmorgens geschlossen war. Zehn Menschen waren trotzdem gekommen und standen traurig vor ihrer Kirche, „einige weinten sogar“, sagt Clausmeyer.

Thomas Schmitt vermisst zwar auch die regelmäßigen Gottesdienste in der Gartenkirche, doch er hat sich im vergangen Jahr ein besonderes Christusbild von einer Armenienreise mitgebracht. „Es hängt an meiner Wohnzimmerwand und hilft mir in dieser Zeit sehr“, erzählt er. Einen kurzen, stillen Moment vor dem Bild hat der Architekt jetzt in seine Tagesroutine eingebaut.

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Viele Gemeinden, wie hier die Nazarethkirche in der Südstadt Hannovers, weisen auf die Hilfsangebote der Diakonie hin. Foto: Sabine Dörfel

Ein "Gottesdienst-to-go" an der Kirchentür

Die meisten hannoverschen Kirchengemeinden haben inzwischen Andachten oder kurze besinnliche Texte auf ihre Internetseiten gestellt, manche übertragen kurze Gottesdienste, die der Pastor in der leeren Kirche hält. Andere sind analog kreativ und bieten so wie die Gemeinde Groß-Buchholz und die  Dietrich-Bonhoeffer-Kirche einen „Gottesdienst-to-go“ an:  Aus kleinen Kästchen an den Kirchentüren können Interessierte Faltblätter mit einer Andacht nehmen, jeden Mittwoch und jeden Sonntag gibt es neue Texte.

 Doch manche kirchlichen Aufgaben erfordern auch in Corona-Zeiten unbedingt die persönliche Anwesenheit der Pastoren. Hanna Kreisel-Liebermann, Pastorin an der Marktkirche, hat jetzt die erste Beerdigung durchgeführt, die mit höchstens zehn Teilnehmern nur im Freien stattfinden durfte. „Es war schon befremdlich, Sargträger mit Mundschutz zu sehen“, sagt sie. „Doch sie können ja den geforderten Mindestabstand zueinander nicht einhalten.“ Um weitere Angehörige an der Beerdigung teilnehmen zu lassen, filmte einer der Trauernden die Zeremonie. Und Kreisel-Liebermann ermutigte die Anwesenden für die abwesenden Trauergäste stellvertretend eine Schaufel Erde auf den Sarg zu werfen.  

Existenzsorgen für kleine Betriebe und Unternehmen

Dass die Menschen nicht nur Ängste um ihre Gesundheit oder die ihrer Angehörigen ausstehen, sondern zunehmend Existenzsorgen haben, kommt bei Pastorin Renate Muckelberg aus der Willehadi-Kirche Garbsen an. Der Minishop in der Nähe der Kirche mit Kaffeeausschank und Postfiliale musste jetzt weitgehend schließen. „Das ist ein Familienbetrieb“, weiß Muckelberg. „Sie öffnen morgens um sechs und sind den ganzen Tag für die Stadtteilbewohner da.“ Die Pastorin hofft, dass die von der Bundesregierung versprochenen Hilfen für Kleinunternehmer Betrieben wie diesem rechtzeitig helfen werden. „Die wirtschaftlichen Verwerfungen als Folge der Corona-Pandemie werden auch die Menschen in unseren Ortsgemeinden betreffen und dafür sollte die Kirche in der nächsten Zeit wach sein“, blickt Muckelberg voraus.   

Sabine Dörfel/Öffentlichkeitsarbeit des Stadtkirchenverbandes Hannover