Architekten und Theologen planen Kirchenumbau zu Stadtteilzentrum

Nachricht 03. Februar 2020
Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde
Der Theologieprofessor Jan Hermelink (v.l.) aus Göttingen, die Architekturstudentinnen Clara Blum und Linda Wirth aus Berlin sowie Architekturprofessorin Kerstin Gothe aus Karlsruhe planten die Zukunft der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche. Foto: Sabine Dörfel

Wände einreißen für die Kirche von morgen

Anfangs waren die Studenten noch vorsichtig. Doch im Projektverlauf wurden sie mutiger, planten auch schon mal den Abriss des Gemeindehaus-Foyers oder erweiterten einen Kirchenanbau um einen muslimischen Gebetsraum. Drei Monate lang arbeiteten mehrere Studentengruppen an dem Projekt „Kirche von morgen im Dialog planen“. Zu Gast waren sie  in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Hannover.  Architekturprofessorin Kerstin Gothe aus Karlsruhe hatte die Gemeinde zusammen mit der Landeskirche Hannovers als Experimentierfeld für eine visionäre Kirchenplanung der Zukunft ausgesucht.

Das Besondere: Die Studentengruppen aus Karlsruhe, Göttingen, Berlin, Hildesheim und dem belgischen Leuwen waren gemischt, jeweils zur Hälfte Architektur- und Theologiestudenten. Die gemeinsame Koordination lag bei Professorin Gothe, dem Theologieprofessor Jan Hermelink aus Göttingen und dem Architekten Gerald Klahr aus Köln.

Die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche sei ein gutes Projekt-Beispiel, meinte die Professorin. Sie liegt in dem sozial stark gemischten Stadtteil Roderbruch direkt am belebten Markt, Stadtbahn, Einkaufszentren und eine Gesamtschule mit Kulturzentrum sind in unmittelbarer Nähe. Rund 60 Prozent der Bewohner haben einen Migrationshintergrund. Schon jetzt arbeite die diakonisch geprägte Gemeinde projektweise mit aufgeschlossenen Muslimen zusammen, betonte Pastor Thomas Holzvoigt.

So unterschiedlich die drei jetzt bei einer Präsentation in Hannover vorgestellten Hauptentwürfe auch waren, einig sind sich die Studenten darin, dass sich die Gemeinde weiter für den Stadtteil mit ihren Bewohnern öffnen soll und künftig zu einem interkulturellen Zentrum für Religion, Kultur, Bildung und Begegnung werden könnte.

Ideen dazu lieferte beispielsweise der Entwurf der Architekturstudenten der HAWK Hildesheim. Der „Bonhoeffer.Culture.Campus“ sieht einen auch vom Roderbruch-Markt aus zugänglichen Raum der Stille vor, einen „Glaubens-Gastraum“ für andere Religionen und die Umwandlung von Gemeindehaus-Räumen in ein Café oder einen „Maker-Space“ beispielsweise für eine Selbsthilfe-Reparaturwerkstatt. Um eine öffentliche Passage quer durch das Kirchengelände zu schaffen, würden die angehenden Architektinnen aus Leuwen Teile des Gemeindehaus-Foyers einreißen und einen frei zugänglichen Garten einrichten. Gewächshäuser darin könnten zu schulischen Bildungszwecken genutzt werden.

Dass Architekten bei Kirchenumbauten sehr sensibel vorgehen sollten, wurde für die Berliner Planerinnen Linda Wirth und Clara Blum deutlich, ähnliche Erfahrungen verbuchte Theologiestudent Sascha Maskow aus Göttingen: „Wir können zwar bei Kirchenumnutzungen ruhig mutig vorgehen, Wände einreißen oder die Küsterwohnung verplanen, aber wir müssen dabei unbedingt die Gemeinde mitnehmen.“  

Die Entwürfe der Studenten werden bei dem internationalen Symposium „Kirchenumnutzung – neue  Perspektiven im europäischen Vergleich“ vom 23. bis 25. März im Schloss Herrenhausen in Hannover präsentiert. Dabei diskutieren Experten aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und Großbritannien über das Thema Kirchenumnutzung erstmals im europäischen Vergleich. Das Symposium wird von der Volkswagenstiftung finanziert, die Hanns-Lilje-Stiftung unterstützte das Workshop-Projekt in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche.

„Wie es jetzt konkret für uns im Roderbruch weitergeht, beraten wir im Kirchenvorstand“, sagt Pastor Holzvoigt. Erste Wünsche hat er schon: das Café mit Zugang vom Markt im Gemeindehaus einrichten und das Kreuz auf dem Kirchendach anstrahlen, ebenfalls ein studentischer Vorschlag. Vielleicht sei es ja möglich, wie auch eine Vertreterin der Stadt Hannover bei der Präsentation angeregt hatte, die weitere Projektentwicklung in den Rahmen der Bewerbung Hannovers als Europäische Kulturhauptstadt 2025 zu stellen.

Text: Sabine Dörfel